Mit diesem Titel stürze ich mich mit Kopf und Herz mitten hinein in eine Serie.

„Im Auftrag der Väter“ ist der dritte Band von Oliver Bottinis Krimiserie um die Freiburger Ermittlerin Louise Bonì, und obwohl ich in der Regel Serien um ein immer gleiches Ermittlerteam wenig abgewinnen kann, hat mich dieses Drama von Anfang an gefesselt.

Die Geschichte beginnt eher langsam und ungewöhnlich, keine Toten bis weit über Seite 250 hinaus, keine Mörderhatz, keine temporeiche Action, sondern leise, fast gruselige Spannung.

Der langsame Albtraum beginnt an einem Abend, als plötzlich ein Mann im Garten der Familie Niemann auftaucht. Er scheint aus dem Nichts zu kommen, redet nicht, geht nur langsam und entschlossen immer weiter auf die Terrasse zu. Der Vater, Paul Niemann, vermutet zuerst einen Obdachlosen und will ihm seine Hilfe anbieten. Da zieht der Mann eine Waffe. Statt jedoch zu schießen, verschwindet er wieder zurück ins Nirgendwo. Die alarmierte Polizei kann den Mann nicht finden. Sie kann auch nicht verhindern, dass er in der Nacht wieder auftaucht, um der Familie ein merkwürdiges und beunruhigendes Ultimatum zu stellen.

Louise Bonì, eine unkonventionelle Ermittlerin mit jeder Menge Ecken und Kanten, begibt sich auf Spurensuche. Wer ist dieser Mann? Und was hat er mit der Familie Niemann zu tun? Was hat er vor und wie weit ist er bereit zu gehen? Kann die Polizei die Familie vor einem großen, drohenden Unheil schützen? Ein asymmetrischer Krieg beginnt, auf der einen Seite die hochgerüstete Polizei, auf der anderen Seite ein geisterhafter Mann, ein Krieger mit einem unheilvollen Plan, den keiner kennt.

Ich richte mich also wohlig in dem Gefühl ein, einen fesselnden Krimi zu lesen, einer, der auch noch ausgesprochen gut geschrieben ist, lehne mich entspannt zurück und freue mich auf spannende Unterhaltung.

Doch ehe ich mich versehe, stecke ich mittendrin in einer unerhörten Geschichte um Flucht und Vertreibung, das ganze Drama einer Familie aus Ex-Jugoslawien. Plötzlich ist da ein ganz anderes Thema, eines, das man so in einem landläufigen Krimi eher nicht erwartet.

Der Krieg mitten in Europa, mitten unter uns, noch gar nicht so lange her, noch kann man die Narben überall sehen, schon erstaunlich, wie weit weg das Thema mittlerweile ist, dabei sind wir fast Nachbarn, die Menschen sind zu uns gekommen, manche konnten bleiben, andere sind wieder zurückgeschickt worden in ein zerstörtes Land voller Hass, Wut, Gewalt und Tod. Erinnern wir uns? Hat es uns arg berührt? Wenn nicht, haben wir mit diesem Buch die Gelegenheit, das nachzuholen.

Geschichte und Menschen, Menschen und Geschichte. Manche werden darüber zu Tätern, die vorher Opfer waren. Ein schwieriges Thema, das Oliver Bottini brillant verpackt hat. Die umfassende Recherche und der unverstellte Blick auf alle Seiten macht dieses Buch zu etwas ganz Besonderen. Eine große Empfehlung, nicht nur für all diejenigen, die ihre Erinnerung ein wenig auffrischen wollen. „Im Auftrag der Väter“ ist einfach ein sehr großartiger und tiefgründiger Roman.

Sag es weiter: